Raspberry Pi 4 4GB als Desktop-Ersatz

Kurzer Ausflug in die Vorgeschichte … nachdem ich bereits mit dem 3b einen Dual-Screen-Desktop aufgesetzt hatte, diesen dann aber aufgrund der geringen Leistung nicht alltagstauglich fand, konnte ich einen Samsung Thinclient TX-WN für nicht mal 50 Euro aus der Bucht erobern. Dieser kommt mit allen gängigen Anschlüssen (2x DVI, USB3, Gigabit-LAN) daher und hat 2GB RAM und eine 16GB SSD mit Win7 embedded. Letzteres  fand ein schnelles Ende und wurde durch Lubuntu 18.04 LTS ersetzt. Das Setup lief besser als der Pi 3b, braucht allerdings mehr Platz auf dem Schreibtisch, setzt mehr Energie (12W laut Herstellerangabe, davon gefühlt 100% als Wärme) um und zeigte im Chromium bei Facebook und Youtube seine Schwächen.

Raspberry Pi 4b 4GByte

Mit Freude erwartete ich nun den Pi4, dessen neue Hardware etwas mehr Performance versprach:

  • 1,5 GHz -Quadcore
  • 4 GByte DDR4-RAM (gibt auch 1 oder 2 GByte-Versionen)
  • 2x USB 3.0, 2x USB 2.0
  • Gigabit Ethernet
  • 2x Micro-HDMI für Dualscreen-Betrieb in 4K
  • WLAN 2,5 & 5 GHz
  • Bluetooth 5.0

Ich habe eine Weile gewartet und wollte erstmal die Kinderkrankheiten abwarten, denn es gibt unter anderem einen Bug im Bereich der neuen USB-C Spannungsversorgung – da ich aber eh ein eigenes Netzteil verwenden will, stört es mich nicht und ich wollte einfach nicht länger warten.

Eine Funktion der 3er-Serien hat leider aufgrund neuer Bootloader-Strategie auf EEPROM noch keinen Einzug bei Pi4 gefunden: der Systemstart via USB oder Netzwerk (PXE). Schade, denn ich wollte den neuen Bewohner gerne komplett von einem USB-SSD-Speicher betreiben – so muss die SD leider weiterhin die boot-Partition liefern und dann an den SSD-Stick übergeben.

Einkaufsliste

Nun aber mal zu den Fakten, in diesem Fall die Einkaufsliste:

  • Raspberry Pi 4b 4 GByte
  • SanDisk Ultra 16GB SDHC
  • SanDisk Extreme PRO 128GB SSD-Stick
  • GeeekPi Gehäuse mit Kühlkörpersatz (4 Stück) und 40mm-Lüfter
  • Beris 5V / 3A Netzteil mit Schalter und USB-C
  • 2 x Micro-HDMI auf HDMI-Buchse

Gesamtkosten 150 Euro – vielleicht kein Schnäppchen, aber ein Quadcore PC mit 4 GB RAM und 128 GB SSD, der weniger Platz auf dem Schreibtisch braucht als mein Locher – verlockend !

Die erste(n) Installation(en)

Vorweg – ich bin kein Freund von Geräuschen am Schreibtisch, deswegen habe ich den 40mm-Lüfter beim Zusammenbau des Gehäuses erstmal nicht angeschlossen. Die passiven Kühlkörper(-chen) wurden brav montiert (verstehe auch nicht, wie man nen Pi ohne betreiben kann).

Als erstes habe ich ein Raspbian Lite auf die SD und den SSD-Stick kopiert. Dabei habe ich mich an der Anleitung von James Chambers orientiert und die SD als boot-Device und den Stick als root-Device verknüpft. Ein erster Start machte mich fast sprachlos, denn der Pi bootete in gerade mal 20 Sekunden bis zum Login.

Ich versuchte dann das Lite zum LXDE aufzuwerten und stellte aber fest, dass es irgendwie nicht so harmonierte, wie ich es mir vorgestellt habe. Scheinbar werden doch irgendwie nicht alle Pakete so installiert, als wenn ich Raspbian Full nehme. Es gelang mir zum Beispiel nicht Anydesk zum laufen zu bringen.

Zeit noch mal was anderes zu probieren: ich nahm ein Lubuntu-Arm64 und hoffte auf mein gewünschtes und gewohntes LXDE-Linux. Das startete im grafischen Desktop ebenfalls deutlich unter 30 Sekunden, aber es gelang mir auch in diesem Setup nicht Anydesk zu installieren, weil dies offensichtlich nicht mit Arm64 kompatibel ist.

das endgültige Setup mit Rasbian Full und LXDE

Na ist ja nicht schlimm, im dritten Anlauf kommt halt Raspbian Full auf Karte und Stick. Die notwendigen Schritte nun schon fast auswendig beherrschend ist das ganze in gut 5 Minuten bootbar und der Raspbian Desktop wird nach gerade mal 23 Sekunden angezeigt.

LXDE, Chromium und Anydesk installiert um einen ersten Vergleich zum Samsung-Thinclient herstellen zu können. Alles startet sehr schnell, die Webseiten scrollen flüssig (insbesondere Facebook, dass auf dem Samsung oft für Probleme sorgte) und auch Youtube läuft ruckelfrei. Nun folgte ein bisschen Feintuning, Aussehen anpassen, gewohnte Software installieren, Netzwerk-Links und Desktop-Starter installieren – immer wieder beeindruckt, wie schnell der Raspi Zugriffe im Dateisystem erledigt und neu startet – auch mit mehr Software im Gepäck.

Kühlen wird Pflicht

Nun kam die Stunde der Wahrheit: er soll endlich mal im Dual-Screen-Betrieb zeigen, was er kann und ich mache es kurz – er tut, was er soll. Im Betrieb ohne Lüfter mit ein bisschen Internetnutzung kommt die CPU auf 72 °C. Bei intensiver Nutzung mit mehreren Fenstern und vielen Zugriffen im Dateisystem erreichte er dann irgendwann die 80 °C-Grenze und zeigte das Symbol für Temperaturwarnung oben rechts im Bild an. Für mich war der Zeitpunkt gekommen ihn nun aktiv zu kühlen – mit Lüfter ging er dann auf rund 50 °C runter. Für mich stehen damit 2 Dinge fest: es braucht einen leisen 40mm-Lüfter und eine kleine GPIO-Steuerung, die den Lüfter ansteuert, wenn die Temperatur hoch geht.

Fazit

Nach einem Tag Raspberry 4b 4GB als Desktop-Ersatz kann ich sagen, dass ich den Kauf nicht bereut habe. Er läuft und erledigt die Alltagsaufgaben mit sehr guter Performance im Vergleich zum Samsung TX-WN und dem davor genutzten Pi 3b+. Insbesondere das echte Gigabit-LAN und der SSD-Stick bringen in vielen Dingen den nötigen Durchsatz und Dual-Screen ist nun ohne Bastelarbeiten (Gert-Board) und Kernel-Patch out-of-the-box möglich.

 https://jamesachambers.com/raspberry-pi-4-usb-boot-config-guide-for-ssd-flash-drives/